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Ehrliche Tropfen

Februar 3, 2017 0 comments

Andreu Villalonga lenkt den großen schweren Landrover durch die engen Gassen des Weinortes Binissalem mit seinen Steinhäusern und grünen Fensterläden. Wir fahren raus zu seinem Weinberg, obwohl es „Weinebene“ besser trifft, zu dem Land, auf dem die Weine von Ca´n Novell wachsen. Heute scheint die Sonne, nach dem vielen, vielen Regen. Gelbe kleine Blumen sprießen zwischen den grau-braunen, noch trocken wirkenden Reben. Im Winter sieht es hier zwar ein wenig kahl und traurig aus, aber der Schein trügt. Die Reben brauchen jetzt auch  Pflege, müssen gestutzt werden, damit sie bald austreiben können.

Blühende Margeriten unter den Olivenbäumen, Schafe grasen und ein leichter, milder Wind bläst mir um die Nase, als wir am Zielort ankommen. Andreu hat hier eine caseta, ein kleines Häuschen, das er gerade auf Vordermann bringt. Leitungen für das Trinkwasser, Wände verputzen, eine ganze Menge Arbeit warten noch auf Toni und sein Team. Das Team, das sind Generalisten und Alleskönner. Abfüllen, Verkauf, Casetas bei Bedarf renovieren und den Wingert bestellen. Toni schneidet heute die Reben. Mit einer elektrischen Schere, deren kleiner Motor in einem handlichen Kästchen auf seinem Rücken angebracht ist, zwickt er die Reben kurz vor dem Triebanfang ab.

 

Ich schaue mir das Land an, auf dem der leckere Wein des Weinguts Ca´n Novell wächst. Drei große Parzellen im Flachland vor Binissalem gehören der Familie Villalonga. Im Sommer finden Konzerte zwischen den Reben statt, direkt auf dem gefurchten Acker.

Winzerliebe auf den zweiten Blick

Andreu Villalongas erster Traum war es, Journalist zu werden. Er zog nach dem Abitur in die weite spanische Welt, nach Bilbao und Barcelona, aber „Sa Roqueta“ zog ihn magisch zurück. Das Weingut des Vaters gefiel ihm und die Idee, sich doch ganz dem Weinbau zu widmen, wuchs. Also noch einmal raus in die Welt, diesmal für einen Master in die Metropole nach Madrid und Weinbau lernen. Seit mehreren Jahren ist Andreu nun zuständig für den Familienbetrieb Ca´n Novell in 4. Generation.

Binissalem ist bekannt für seine Weine. Große Weingüter wirken im Vergleich zu dem kleinen Familienunternehmen übermächtig. Doch Andreu möchte gar nicht in die Riege der ganz Großen aufsteigen, möchte sich nicht an Gütesiegeln aufreiben. Manch einer hat ihn schon mit den unbeugsamen Galliern verglichen, die sich gegen die Übermacht der Römer trotzig behaupten. Und da ist was Wahres dran, und ich meine nicht nur die innere Haltung. Andreu Villalonga ist groß, das dichte grau-melierte Haar gibt ihm etwas Rebellisches, sein Lachen steckt an.

Ich kenne Andreus Weine schon ein wenig länger. Der lässige kleine Weinladen in Palmas Altstadt, die Sifonería, hat mir schon vor Jahren die leckeren Rotweine oder die frischen Weißweine näher gebracht. Mein Lieblingswein ist der etwas schwere Sang. Heute erfahre ich, dass er eigentlich Sang de bou mit vollem Namen heißt, und ein 3 Jahre lang gereifter Verschnitt aus der mallorquinischen Traube Manto negro, Cabernet und Syrah ist. Nicht im Eichenfass gereift. So wie Andreu verkauft niemand diesen trockenen, vollen Rotwein auf der Insel. Auch sonst zeichnen den Familienbetrieb ein paar Besonderheiten aus, wobei wir wieder bei den unbeugssamen Galliern, Verzeihung, Mallorquinern wären. Andreu Villalonga hält wenig von aufgeplustertem Etiketten-Wahn, mit dem Titel „denominación de orígen“ kann er selbst wenig anfangen.

„Wer sich an die Vorgaben des Etiketts „denominacion de orígen“ hält, muss bestimme Dinge streng einhalten. Man muss einen festen Anteil einer Sorte verwenden, es muss der Flaschenverkauf sein, direkt in größere Flaschen abfüllen, ist nicht möglich“, sagt der Winzer. Am Ende zahle der Kunde drauf, auch die Freiheit des Winzers, verschiedene Sorte zu mischen um besondere Geschmacksrichtungen zu erhalten, gehe flöten, so Villalonga.

Auch dafür liebe ich seine Weine, absolut erschwinglich, die Flasche Sang kostet mich weniger als drei Euro. „Wir möchten gute Preise für jeden herstellen“, sagt Andreu. Er selbst beliefert seine Kunden, viele jahrelange treue Abnehmer, denen er den Wein höchstpersönlich vorbeibringt. Wer vorher die Weine probieren möchte, kein Problem. Im großen Verkaufsraum des Weinguts stehen verschiedene Sorten bereit, nur 3 Euro kostet die Weinprobe, anschließender Kauf ist kein Muss.

Ich betrete den Raum mit den großen Fässern. Es riecht gegoren süßlich, angenehm nach gelagertem Wein. Seine Weine reifen bis zu maximal fünf Jahre in großen Fässern oder Tanks, es sind frische, relativ junge Weine. Roten, Weißen und Rosé verkauft das Weingut Ca´n Novell, im amerikanischen oder französischen Eichenfass gereift, abhängig davon, welche Sorten es sind, oder im Tank gelagert. „Die heimischen Weine reifen besser in französischer Eiche, die Schnittform der Balken ist anders als bei der amerikanischen Sorte.“ Weiße Weine entwickeln in gereiftem, mindestens 200 Jahre altem Olivenholz einen besonders guten Geschmack. „Das Holz holt das Beste aus dem Wein heraus“, sagt Andreu.

Ein wenig wie Kunst…

Den 43-jährigen begeistert seine Arbeit. Er packt überall mit an, fährt selbst häufig und gerne zu den Kunden, schaut auf dem Acker nach dem rechten. „Wenn ich jetzt rausgehe aufs Feld und die kahlen Reben sehe, dann scheint alles tot. In wenigen Wochen grünt es, und im Herbst können wir die saftigen Trauben ernten, das ist schon faszinierend“, sagt Andreu.  Er kommt ein wenig ins Sinnieren. Weinmachen sei fast ein wenig wie Kunst, sagt er und packt eine kleine Anekdote aus. Als er gestern beim Mittagessen saß, spazierte der berühmte Künstler Miguel Barceló herein, setzte sich an den Nebentisch und bestellte. Seine vom Meer inspirierte Kathedralenfreske in Palma ist einzigartig und gleichzeitig umstritten. Und dann wird Andreu mutig und zieht Parallelen zu dem weltberühmten Künstler und seinem Wein. „Aber Wein herstellen, aus scheinbar „Nichts“, das ist auch Kunst“, meint der Winzer.

Doch dann kommt er wieder zu sich und spricht von irdischen Dingen, von gutem Essen, das zu seinen Weinen passt. „Einen Lieblingswein habe ich nicht“, sagt er. „Es kann ein frischer Weißwein zu einem belegten Brötchen sein, oder ein schwerer Roter zu einem gut durchgebratenen Stück Fleisch.“ Auf den Moment komme es an. Und überhaupt, was sei schon ein „guter“ Wein? Und was er jetzt sagt, gefällt mir besonders gut. Wenn man einen Wein trinkt, soll man alle schlauen Ratgeber und Weinsommeliers mit gutem Gewissen vergessen. Die Augen schließen und auf den eigenen Geschmack vertrauen. Der Preis, der Name? Völlige Nebensache.

Ich schließe die Augen und lasse den Roten über meine Zunge perlen, versuche ein wenig fachmännisch die Geschmacksknopsen ihr Werk tun zu lassen und höre dann doch auf Andreu. Einfach schmecken und genießen. Der Wein hat kein Etikett? Mir doch egal.

Ein paar Empfehlungen kann ich ihm noch abluchsen. Zur Paella trinkt der Weinkenner am liebsten einen jungen Rosé vom selben Jahr, zum Fisch, einer Lubina zum Beispiel, schmeckt ein 14%iger trockener Weißwein von der Sorte Moll, einer heimischen Rebsorte, besonders gut.

Ist das Essen ein wenig deftiger, kann es ein Roter mit dem knappen Namen „È“ sein. Ein trockener Reserva Wein mit viel Körper, der 20 Monate in französischer oder amerikanischer Eiche reifen durfte.

Ich muss schnellstens raus aus dem betörenden Weinduftambiente. Ich bekomme Hunger. Soll es heute dann ein leicht angebratenes Stück Fleisch sein mit dem empfohlenen È? Ich glaube schon. Zum Wohl und Salud!

 

Wie finde ich das Weingut?

Das Weingut Ca´n Novell liegt im Herzen des Weinortes Binissalem. Wer eine Weinverkostung im großen Stil möchte, kann dies nach Anmeldung tun. (Tel. ) Wer einfach spontan vorbeikommen möchte, ist herzlich willkommen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 8.00-13.00 Uhr und 15.00-20 Uhr. Samstag von 8.30-14 Uhr geöffnet.

 

 

 

 

 

 

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