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Wie tickt ihr? Wie ticken wir?

März 22, 2018 0 comments

Es ist nicht immer einfach, das Ding mit der Interkulturellen Kommunikation.

Ich persönlich kann sie ja manchmal nicht mehr hören, die Clichées, die man uns Deutschen gerne überbrät. Pünktlich und ordentlich sind noch die sympathischsten davon. Cuadrados, also eher Quadratköpfe, die nicht mal Fünfe gerade sein lassen können, ernst, humorlos die  weniger angenehmen Attribute.

Ich bin es etwas leid.  Denn: wir sind nicht so.

Oder doch, aber im positiven Sinn. Nur haben das die Spanier und Mallorquiner nicht ganz verstanden.

Und wie sieht es im Arbeitsumfeld aus? Sind wir da auch ganz anders – zahlt sich die Pünktlichkeit und Verlässlichkeit wirklich aus?

Ich arbeite aktuell in einem fast rein spanischen Ambiente. Zwei Kolleginnen aus Südamerika, mehrere Rumänen, die aber eigentlich schon halbe Mallorquiner sind, ein Franzose, der auch schon ewig hier lebt und am spanischsten von allen ist und viele Mallorquinerinnen.

Und dann ich. Die Deutsche. La alemana.

Und ich kann bestätigen – es knirscht öfter mal ganz ordentlich und auch ich finde die Clichées, die wir andererseits den Spaniern gerne zuschreiben, oft bestätigt.

Spanier sind unpünktlich. Nicht verlässlich. Emotional.

Stimmt das?

Ich habe mich mit Unternehmenscoach Andrea König-Wenskus getroffen, in der Hoffnung, ihre Einblicke und Erklärungen bringen ein wenig Licht in das Wirrwarr und Gestrüpp.

Einige Ausschnitte unseres Gesprächs möchte ich mit euch teilen.

Andrea, seit wann bist du auf Mallorca und was ist dein Background?

Beruflich bin ich mit mehreren Standbeinen unterwegs. Ich bin Kommunikationstrainerin und systemischer Coach. Ich habe viele Jahre in Unternehmen in Deutschland gearbeitet.  Ein weiteres Standbein ist die Mediation. Ursprünglich habe ich Übersetzerin für Spanisch und Englisch studiert, aber nie in diesem Bereich gearbeitet.

Ich war früher immer sehr, sehr viel auf Mallorca. Hochzeitsreise etc. Es ergab sich aus privaten Gründen, dass wir unseren Wohnort ganz hierher verlegt haben, was mich sehr zufrieden macht. Beruflich hat es für mich zur Folge, dass ich pendel.  Das liegt einmal daran, dass langjährige Kunden in Deutschland sitzen. Natürlich spielt das Budget auch eine Rolle. Und Geld in Unternehmenscoaching zu investieren, ist in Deutschland viel verbreiteter als hier.Hier auf Mallorca arbeite ich eher mit Einzelklienten zusammen und mache Coaching.

Du gibst Kurse in Unternehmens-Knigge. Was lernt man dort?

Unternehmens-Knigge, der Begriff wird oft belächelt…die Leute denken, es geht darum, aufrecht mit Messer und Gabel an einem Tisch zu sitzen. Dabei geht es vor allem um Höflichkeit im professionellen Umgang.

Das bereitet den Leuten , die hierher gezogen sind, oft Probleme. Das Thema Höflichkeit ist hier nicht so stark verankert, wie in Deutschland. Dazu gehört es zum Beispiel, E-Mails innerhalb von 24 Stunden zu beantworten oder zumindest zu reagieren – meiner Erfahrung nach in Deutschland ein ungeschriebenes Gesetz. Es geht darum,  „den anderen wahrzunehmen“ – und hat  damit zu tun, wie ich die Welt als Ganze wahrnehme.

Mit welchen Themen treten Klienten an dich heran?

Einzelne Klienten hier auf Mallorca kommen oft mit dem Wechsel von Deutschland nicht gut klar. Sie verstehen nicht, warum die Mallorquiner so anders sind, warum es denn nicht so läuft, wie sie es von Deutschland her kennen.

In Deutschland ist es so, dass sie mich kontaktieren, wenn es nicht rund läuft. Aber auch schon vorher. Wenn sich jemand aus einer Angestellten Position in die Selbständigkeit entwickeln möchte, dann kommen sie auf mich zu. Oft stellt das Unternehmen auch einen Coach zur Seite, wenn jemand in eine Führungsposition aufsteigt. In Spanien ist das noch sehr wenig, fast Null. Sprachkurse, ja, Coaching – nein.

Was sind für dich gravierende Unterschiede in Punkto Arbeit?

Die Mittagspause hier ist HEILIG. Manchmal wird einem sogar die Tür vor der Nase zugeschlagen. Teilweise mutet es grotesk an. Ich habe es sehr stark erlebt, dass es für deutsche Unternehmer, die so lange Mittagspausen nicht gewöhnt sind, etwas befremdlich ist, wenn es heißt: wir haben jetzt Pause. Und das geht vor.

Wir Deutschen gelten als grüblerisch. Das hat aber auch seine guten Seiten. Wir hinterfragen uns. Die Erfahrung bei den Spaniern geht in eine andere Richtung. „Stolze Spanier“ neigen nicht so sehr zur Selbstkritik. Sich selbst zu hinterfragen ist aber ein ganz entscheidender Teil des Coachingprozesses.

Und wie ist das mit den Hierarchien? Wird hier diskutiert oder eher gekuscht?

Es gehört zur Gruppendynamik dazu, wenn gemeinsam gejammert oder gelästert wird. Wenn es allerdings zuviel wird, ist das nicht gut. Es ist schön, wenn man es irgendwann in lösungsorientierte Bahnen lenken kann. Oder man lässt es sein, denn sonst dreht man sich im Kreis. Es ist auch menschlich – man gibt die Verantwortung indirekt ab, denn man hofft, dass jemand anderes das Problem vielleicht löst.

Ich habe es in einem Unternehmen auf Mallorca erlebt, dass es gerade die Spanier waren, die viel mehr gesagt haben, wenn es um Pausen ging, um Arbeit nach der Arbeitszeit. Da waren die Deutschen eher still. Mag daran liegen, dass viele Deutsche schon schlechte Erfahrungen gemacht haben auf der Insel und jetzt einfach nur froh sind, einen Job zu haben.

Aber es herrschen generell  in Spanien stärkere Hierarchien. Der Chef wird nicht kritisiert. Wobei das auch eine Generationenfrage ist. Die Jüngeren handhaben das inzwischen deutlich lockerer und trauen sich, etwas zu sagen. Das Chefprivileg – Fehler machen zu dürfen und es nicht zuzugeben, das gibt es auch in Deutschland. Wobei ein guter Chef auch Fehler eingesteht und bei Problemen hinter seinem Team steht. Wenn ich mich als Chef menschlich gebe, habe ich mein Team natürlich eher hinter mir.

Was möchtest du auf Mallorca gerne aufbauen?

Ich möchte gerne meine Aufgaben hier auf Mallorca ausbauen. Ich lebe jetzt hier mit meiner Familie. Aber auch, weil ich den Bedarf hier sehe. Manchmal erscheint der Kundenservice unterirdisch. Die Unternehmen sollen eine konkrete Vorstellung haben können, was besser werden kann, wenn ich in das Unternehmen komme, um die Mitarbeiter zu schulen. Unternehmen mit Deutschen und Spaniern sind meine ersten Anlaufstellen.

Und glaubst Du, Du wirst mit offenen Armen empfangen?

Da muss man vorsichtig sein. Die Unternehmen sollen natürlich nicht denken, da kommt jetzt so eine deutsche „Tussi“, die alles besser weiß. Ich möchte zum Beispiel über Clubs, in denen ein gemischtes Publikum ist, Vorträge halten. Wenn ich mein Schatzkästchen öffne, können die Leute sich besser vorstellen, was ich anbiete.

Aber du sagst, es ist nicht gut, so wie es ist hier?

Unterirdisch war sicher ein sehr starkes Wort. Wenn man z.B. in ein Café geht und sich etwas bestellt, bekommt man zwar seinen Kaffee, aber dann ist erstmal Ruhe. Es geht ja auch Umsatz verloren, wenn man die Kunden nicht gut betreut. Man könnte ja auch zwei oder drei Kaffee trinken, in der Zeit.

Und woran liegt das, der fehlende Servicegedanke?

Ich glaube, es liegt daran, dass viele zu sehr um sich kreisen. Oder auch denken, ich verdiene eh so wenig, warum soll ich mich so anstrengen? Dann stehen sie lieber an der Theke rum und daddeln.

Verständlich, oder?

Ja. Ein Schritt in eine Richtung sind Workshops in Unternehmen. Dort soll erarbeitet werden: was ist uns wichtig? Welche Werte möchten wir vermitteln? Das soll konkret runtergebrochen werden. Wenn z.B. Respekt wichtig ist, was bedeutet das – zum Beispiel meinem Kollegen gegenüber?

Wenn ich sehe, der Kunde braucht Aufmerksamkeit, dann gehe ich hin. Das Gleiche gilt auch für den Arbeitgeber – Respekt den Angestellten gegenüber bedeutet dann, sie nicht mit einem Hungerlohn abzuspeisen.

Was genau macht dann der Coach bei Konflikten?

Es ist gut für ein  Team, wenn jemand von außen kommt. Ich darf ja ruhig der Buhmann sein. Jemand, der die wichtigsten Punkte aufschreibt – quasi als Puffer fungiert zwischen Chef und Team. Ein Chef merkt so oft auch erst, welche Themen wichtig in einem Team sind.

Ich begleite den Prozess der Lösungsfindung. Für die Inhalte ist das Team zuständig.

Es gibt natürlich Vorgespräche, ganz klar, aber ich bin keine Unternehmensberaterin, die sich das Unternehmen genau anschaut. Ich strukturiere eher in dem Workshop.

Vielen Dank für die Einblicke, Andrea.

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