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Der sinnlich süße Damenhals

Mai 3, 2016 0 comments

Keine Frucht hat es mir so angetan wie diese. Die Feige. Sie ist ästhetisch und exotisch.  Ich habe mich zu einer wahren Feigenliebhaberin, um nicht zu sagen „aficionada“ oder fast schon adicta entwickelt. Freunde machen sich lustig, wenn ich Marmelade einkoche, zum Schlafen das T-shirt mit den Feigensorten Logo trage und sobald die Saison losgeht, alle mit der Frage „wo gibt es hier Feigenbäume?“ belustige.   Ich möchte euch gerne einen wahren aficionado und sein Werk vorstellen.  Weltweit gibt es  zwischen 800 bis 1000 Arten, davon allein auf den Balearen 251 autochthone. Montserrat Pons hat die Bäume hektarweise auf seinem Land, der Finca Son Mut Nou bei Llucmajor angepepflanzt In dem dazugehörigen Forschungszentrum erzählt er allen, die es wissen möchten, von dieser fantastischen Frucht.

Er ist kinderreich. 1.700 Töchter schart Montserrat Pons um sich. Und zwei Söhne. Die sind dafür aus Fleisch und Blut und helfen ihm, die generell anspruchslosen Töchter zu betreuen. Diese mögen Sonne, Wärme und gut geharkte Erde.

In der Finca Son Mut Nou bei Llucmajor befindet sich das Camp d´experimentació, das laut Montserrat weltweit größte Forschungszentrum zum Thema Feige. Der Feigenbaum ist im Spanischen weiblich, die Feige männlich. „La higuera, la higuera“, lässt er nicht locker. Dort, auf 130 Hektar, einer Fläche so groß wie ca. 240 Fußballfelder, wachsen sie. Seine Töchter.

Heute ist der 57-Jährige nervös. Sein Land wird neu verkabelt. Tief in die Erde zu seiner Finca zwischen den Feigen- und Mandelbäumen. Der gesamte Weg zum Haus ist aufgebuddelt. Er manövriert den schweren Wagen über die Piste, vorbei am grün und gelb gestreiften „Damenhals“, der Coll de Dama Rimada, der Reina – der „Königin“, der süßen und über hundert Jahre alten Martinenca. Hier halten wir an und steigen aus dem Geländejeep. Alt und knorrig wirkt der Baum. Fast karg. Die Zweige auf der einen Seite sind kahl und trocken. Die Früchte hängen schwer an den blätterlosen Ästen. Montserrat pflückt eine Frucht: Das Fruchtfleisch ist rosig, weich und süß. „Je älter der Baum, desto besser ist die Frucht“, sagt er.

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Wenn sie reif sind, fallen die Blätter ab

Im ersten Jahr werden die Bäumchen noch gehegt und gepflegt. „Wie ein Baby“, erklärt der Mann mit dem Schnauzer. Danach müssen sie weitgehend alleine klar kommen. Ab dem 3. Jahr tragen die Bäume Früchte, mit 10 Jahren sind sie reif und ihre Hoch-Zeit haben sie zwischen 40 und 80 Jahren. Wir stiefeln über das Gelände, jeder mit einem Körbchen in der Hand. Die Feigenbäume sind niedrig und die Früchte leicht zu ernten. Wir wandeln zwischen Ägypten, Libanon, den Balearen und anderen Feigenregionen der Erde umher. Sie alle sind hier, dicht nebeneinander.

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Mehrere hundert Hektar Feigenland.

Montserrat Pons ist im wirklichen Leben Pharmazeut. Pülverchen, Extrakte, gerade aus Pflanzen, faszinieren ihn. Die Feige, schon seit jeher mit dem Thema Erotik und Scham verknüpft, ist für ihn die sinnliche Frucht schlechthin. Der Apotheker erklärt lachend, warum sich Eva mit einem Feigen- statt z.B. einem Apfelbaumblatt bedeckt hielt. „Ein Blatt des Apfelbaums hätte höchstens für eine Brustwarze gereicht“. Der Mallorquiner hängt an seiner Heimat und möchte die hiesige Sortenvielfalt erhalten und bedrohte Varianten schützen. Darum pflanzt, fotografiert und katalogisiert er seit 1995 akribisch die paarweise gepflanzten Feigenbaumsorten; fast 700 Arten kultiviert er. Ein mehrere Hundert-Seiten-Wälzer ist das Ergebnis und Herzstück seiner wissenschaftlichen Arbeit. Gewicht, Farbe, Besonderheiten – alles hält er fest. Die mikrobiologische Ebene interessiert ihn nur am Rande. Zwar schicken sie die Ableger in das Forschungszentrum nach Badajoz, wo der genetische Pflanzencode aufgeschlüsselt und für die Nachwelt festgehalten wird, doch ihm geht es vor allem um den realen Erhalt der Bäume. Von den fast 1.000 Sorten weltweit ist mehr als die Hälfte bedroht. Statt der sonst üblichen zwei Bäume pflanzt er 4–5 der bedrohten Sorten an. Ein Ableger geht an andere Forschungszentren in Spanien und den USA. „Das ist wie eine Fotokopie“, erklärt er.  Zusätzlich hält Montserrat Vorträge für alle, die das Thema interessiert. „Wissenschaftler, Seniorengruppen, Schulklassen, alle möglichen Leute kommen“.

Hand aufs Herz, wer von uns kauft die verschrumpelten kleinen Feigen auf dem Markt? Eben, kaum jemand. Der Markt für frische Feigen ist klein. „Die Leute gehen beim Kauf vor allem nach dem Aussehen“, bedauert der Feigenliebhaber. Beliebt sind Feigenbrot, eingelegte Feigen in Rum, als frische Marmelade oder sogar Feigen-Schampus. Diese Merchandising-Produkte köchelt seine Frau in der Finca-Küche. Aber auch mit mallorquinischem Hartkäse oder mit Honig und im Speckmantel und Ziegenkäse läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Direkt vom Baum in den Mund ist und bleibt die Königsdisziplin.

Ich fahre glückseelig auf meiner Vespa nach Hause. Mein Mopedkoffer ist bis zum Rand mit Feigen gefüllt. Im Rucksack habe ich ein schönes T-shirt mit den typischen Feigensorten der Insel und freue mich schon aufs Marmeladeeinkochen.

 

Wer Monserrat besuchen möchte, kann dies sehr gerne tun. Zu finden ist er hier:http://www.sonmutnou.com/

 

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