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Wie ich bei der Kakaozeremonie zu einer anderen wurde

Juli 9, 2017 0 comments

  ICH BIN VERLOREN!

Hoffnungslos.

Ich kurve kreuz und quer durch enge Nebenstraßen, die immer schmaler werden, die Büsche schlagen seitlich an mein Auto. Die nächste Abzweigung zeigt ein Schild: Mountainbikes only. Es ist fast wie im Wild West. Ich bin verzweifelt und drehe irgendwann um.

Ich lerne ungewollt das „andere Mallorca“ kennen. Mein Kopf ist aber jetzt im Arbeitsmodus und die ganz klare Erkenntnis die bleibt ist: ich brauche ein Navi. Denn ich will ankommen, bei meinem eigentlichen Ziel heute: eine Kakaozeremonie auf der Finca von Sylvia von Mindful Mallorca.

Endlich die ersehnte Straße, ich fahre einen Feldweg bis zum Ende und biege rechts in das Tor ein. Ich habe es geschafft! Sylvia steht im Hof und plaudert mit jemandem. Ach, alles ganz entspannt, sie hätten noch gar nicht angefangen. Ich solle erstmal ankommen.

Alles ganz easy…

Die anderen Teilnehmerinnen liegen auf den Poolliegen, nippen an ihrem gekühlten Wasser, knabbern ein paar Quelitas. Hinten, zwischen den Bäumen, hat Sylvia im Kreis Liege- und Sitzflächen ausgebreitet, hier werden wir gleich die Kakaozeremonie feiern.

In der Mitte des Kreises befindet sich ein steinerner Topf, ein Stein liegt bereit, damit werden wir später die Kakaobohnen zerstampfen und zermahlen.

Die Wirkung des Kakao

Sylvia fängt an zu erzählen. Kakao, eine alte Heilpflanze, von den Mayas angebaut, habe neben dem leckeren Geschmack, viele gute Eigenschaften. Für die Verdauung, für den Geist…Mit Suchard und Nesquik hat das nicht mehr viel zu tun.

Sie gibt jeder von uns drei Kakobohnen, mit einer dünnen Schale. „Beißt ruhig drauf, auch mit Schale“, sagt sie. Drei Bohnen seien aber genug. Die Wirkung könne sonst zu stark sein. Wir schauen uns an, finden die Vorstellung, von Kakaobohnen „high“ zu sein, lustig und ein wenig unwirklich.

Knack. Ich zerbeiße die erste kleine Bohne zwischen meinen Zähnen. Bitter, stelle ich fest. Lecker. Ich malme weiter. Knirsch. Bohne Nummer zwei wird in meinem Mund zu einem Kakaobrei. Hmmm. Schmeckt gut. Die dritte Bohne lasse ich vorsichtshalber neben mir liegen. Hebe sie mir für später auf. Ich möchte erst einmal die Wirkung abwarten.

Einstimmen auf die Zeremonie

Sylvia geht reihum und hält ihre Hand auf unseren Rücken. Ich bin neugierig, was sie jeder einzelnen ins Ohr raunt. Als sie bei mir ankommt und mir die Hand auf den Rücken legt, denke ich nicht mehr viel. Ich spüre einfach, wie angenehm es ist. Sie „schwört“ mich auf die Zeremonie ein.

Jetzt werden die Bohnen zerstoßen. Sylvia hat ein Bündel Salbei angezündet, das wunderbar duftet. Damit reinigt sie die Luft. Das hier ist schließlich ein Zeremoniell. Wir sitzen alle andächtig um sie herum. Eine Engländerin, die ich schon kenne. Zwei Mallorquinerinnen, links neben mir sitzt eine Argentinierin, wir sind drei Deutsche und eine blonde Amerikanerin. Kein Mann. Das ist Zufall.

Die erste Freiwillige kniet sich in die Mitte, fängt an zu mörsern. Schöne Musik klingt im Hintergrund. Heute war der bisher heißeste Tag auf Mallorca. Bis zu 40 Grad gab es. Der Abend ist dafür jetzt wunderschön lau. Der Vollmond leuchtet bald durch die Bäume. Es ist fantastisch. Das Setting, die Stimmung, die netten Frauen, Sylvia mit ihrer ruhigen Stimme.

 

 

 

Mindfulness setzt ein. Innere Ruhe.

 

So, jetzt will ich ein wenig mörsern. Ich knie mich in die trockene Erde, greife den Feuerstein und male drauflos. Die Bohnen sind inzwischen dank meiner Vorreiterin schon gut zerdrückt. Ich versuche, es noch ein wenig feiner zu bekommen.

Die Temperatur muss stimmen

Jetzt wird Wasser erhitzt. Die Temperatur muss stimmen, wir bekommen alle kleine Aufgaben: Thermometer kontrollieren, Kakaomasse einrühen, verquirlen, Kokosöl hinzugeben… Der kleine Topf steht auf einem Gaskocher, die Lichter in den Bäumen leuchten, die Grillen zirpen laut. Hach. Wir sind alle ganz eifrig dabei. Es wird gelacht, die Stimmung ist schön. Dann gießt Sylvia feierlich den cremigen Kakao in kleine Gläser, Zimt oder Honig macht sich jede selbst dazu. Wir erheben die Gläser, es hat etwas von Messe, von christlichen Ritualen, von heidnischer Feier…ich sehe die Mayas vor mir, fühle mich zwischen durch in die katholischen Messen meiner Kindheit und Jugend zurück versetzt, wo der Pfarrer die Hostie verabreicht.

Am Ende sind es Rituale, die wir brauchen und wollen. Ich lasse das innere Philosophieren und widme mich dem Kakao.

 

Cremig, denke ich beim Trinken. Ich habe nicht gesüßt. Ein bisschen bitter. Schluck für Schluck lasse ich die warme Masse die Kehle runterrinnen. Mindfulness.

Aber unser Ritual ist mit dem Getränk noch lange nicht zuende. „Jetzt gehen wir in das Labyrinth“, kündigt Sylvia an. Sie hat alles vorher liebevoll vorbereitet. Ein steinernes Labyrinth ein wenig abseits der Finca, mit einem kleinen Feuertopf in der Mitte, der genau überwacht wurde. Bei der Hitze absolut wichtig und gut. Überall leuchten kleine Kerzen den Weg. „Geht jetzt das letzte Stück bitte schweigend“, sagt Sylvia. Wir schreiten das trockene Gras entlang, eine nach der anderen betritt langsam das steinerne Labyrinth. Der Mond leuchtet inzwischen groß und rund. Den Lebensweg laufen.

 

Ich empfinde es vor allem als wahnsinnig stimmungsvoll. Die laue Nacht, der tolle Mond, das Feuer. Ich laufe langsam Richtung Mitte. Wir stellen uns alle um das Feuer herum. Schweigen.

Neue Gefühle blubbern hoch…

Ich bin nicht die große „Toucherin“, renne in Gruppen nicht als erste auf die anderen zu, um mir eine Umarmung abzuholen oder raumgreifend meine Hugs zu verteilen. Jetzt stehe ich Seite an Seite mit den anderen und spüre: ich würde so gerne die Hand meiner Nachbarin nehmen. Einfach so. Ein bisschen zusammen stehen und sich Halt geben. Ich weiß – ich bin auf einem mindful-Event und dürfte das sicherlich.

Aber ich traue mich nicht.

Schade, finde ich das. Aber auch gut, dass ich in dem Moment so genau gespürt habe, was ich gerne hätte. Ein erster, kleiner Schritt.

Wir gehen langsam durch das Labyrinth

Kleine Zettel für die Zukunft

Wir verlassen langsam das Labyrinth, gehen wieder zu unserer Kakaostelle zurück. Es geht weiter…Jede hat eine Kerze mitgebracht – ups, das habe ich wohl überlesen. Die nette Mallorquinerin neben mir schenkt mir ihre Ersatzkerze. Eine kleine Blume. Wir sollen auf einen Zettel zwei Dinge schreiben. Das, was wir zurück lassen möchten und das, was wir uns wünschen. Der Wunsch kommt in die linke Hand – die Herzenshand, wie Sylvia sagt. Der andere Zettel in die rechte. Und der rechte Zettel kommt unters Feuer. Weg damit. Loslassen.

Den anderen kleinen Zettel sollen wir gut aufheben, dort verbergen, wo wir ihn vielleicht täglich finden. Im Portemonnaie, in der Handyhülle, als kleine Erinnerungshilfe im Alltag.

Ich vergrabe den rechten Zettel tief im Kerzendocht. Soll er nur ja gut brennen. Den linken habe ich eben gerade in mein Lieblingsportemmonaie gelegt. Beim Bezahlen wird er mir dann und wann über den Weg laufen. Mein Herzenswunsch.

Die Wirkung – ich spüre sie

Ich fahre erfüllt in die Nacht. Nach Hause. der Kakao könne wunderliche Dinge mit uns machen, sagt Sylvia geheimnisvoll. Jeder Mensch reagiere anders.

Ich merke die wundersame Wirkung noch in derselben Nacht. Was genau es war, das ist das Geheimnis des Kakao.

 

Danke Sylvia für dieses wunderschöne Erlebnis!

 

Mehr Infos zu den Zeremonien hier

 

 

 

 

 

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