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Tafeln wie im Film

November 4, 2018 0 comments

Es ist viertel nach zwölf, als ich in die steinige Einfahrt der Finca bei Sineu einbiege. Ich bin zu spät, denke ich gehetzt. Sicher sitzen schon alle bei ihrem Aperitivo zusammen und nur ich fehle!

Tja, anscheinend bin ich doch noch nicht genügend spanisch sozialisiert. Ich bin die zweite, die von später über 20 Personen eintrifft. Nach und nach kommen die Leute an, entspannt reihen sie sich ein in die Runde, die vor der Finca von Andrea und Giulia in der Sonne sitzt, hausgemachte Focaccia probiert und von den eingelegten Zuchini und Gurken kostet.

De la huerta a la mesa, vom Gemüsegarten auf den Tisch, so das Motto der kleinen Reihe, die eine Gruppe ökologisch orientierter Fincabesitzer ins Leben gerufen hat. Andrea und Giulia von Can Flow machen den Anfang. Die beiden Italiener aus Venedig kennen sich mit Ökoanbau aus. Viele Jahre haben sie im Ausland selbst als Woofer gearbeitet, jetzt haben sie die verwunschene Finca zwischen Inca und Sineu gemietet und decken heute zum ersten Mal die große Tafel für Besucher.

Andrea hat uns am Anfang eine kleine Tour des Gartens gegeben. Amaranth wächst neben Orangen, Auberingen, hiesige Tomatensorten, Chilischoten, große Salatköpfe, reif zum Ernten. Alles Eigenanbau und ökologisch.

Ich treffe auf Nuriana und Marta, eine Deutsche und Kolombianerin. Später kommen noch Matieu und Noe dazu, zwei Franzosen. Eine Belgierin wird uns mit Musik und Gesang überraschen, eine Gruppe Mallorquiner mit Kindern gesellt sich dazu: kurz – es ist international. Die Sonne taucht uns in wunderschönes Herbstlicht und wir fühlen uns alle ein wenig wie in einem Fellini-Film.

Giulia erklärt uns die einzelnen Zutaten. Vorspeise: eine cremige Zuchinisuppe mit Brossatkäse und krossen Croutons, gefolgt von einem Hirse Gericht mit Brennessel-Pesto und Radiccio als Hauptgang. Dazu gibt es Wasser und Wein.

Mathieu und Noe erzählen mir ein wenig von ihrer Finca. Mathieu taucht gerade ganz frisch in das Fincaleben ein, hilft Noe als Woofer auf dessen Finca aus. Noe betreibt mit zwei anderen eine ebenfalls ökologisch orientierte Finca bei Inca. Can Om der schlichte Name. Ihr gesamtes Wassersystem – Dusche, Abwasch, Waschmaschine – läuft über Regenwasser, das sie in einem riesigen Auffangbehälter sammeln. Ich bin begeistert. Konzerte und Workshops bieten sie ebenfalls an, auch ein paar Gästezimmer haben sie. Ramón neben mir kennt die Finca von Andrea und Giulia bereits. Er war hier schon zu einem Brennessel-Workshop. Da seien ganz fantastische Sachen bei herausgekommen, schwärmt er.

Dann steht plötzlich Neske, eine belgische Soulsängerin auf. „Ich brauche ein paar Wörter von euch“, ermuntert sie uns. „Harmonie“, wirft Noe mit dem Strohhut ein. „Gesundheit“, kommt es aus einer anderen Ecke. „Liebe“, schlägt Ramón, links von mir vor. Das ist das Gewinnerstichwort. „Sunday kind of love“ singt die belgische Bluessängerin daraufhin improvisiert in die laue Nachmittagsluft. Wir lauschen andächtig, tosender Applaus am Ende.

Ich genieße es sehr, zwischen diesen herzlichen und sympathischen Menschen zu sitzen. Wir haben Anfang November, die Sonne wärmt uns und wir sitzen in T-shirts oder leichten Pullovern draußen. Die Kinder spielen mit der Katze, die sich ein wenig in ihr Schicksal ergibt und von einem zum anderen reichen lässt.

Bei Italienern darf ein guter Nachtisch nicht fehlen. Keks, gebadet in Schokolade zusammen mit hausgemachtem Turrón, dazu Cortado oder Tee. Himmlisch!

Kalter Hund auf italienisch. „Das Pendant zum Hotdog“? fragte mich Noe.

In dem kleinen Nebenbereich entdecke ich später das Kurioseste von allem. Die Waschmaschine wird mit Muskelkraft angetrieben. Ich setze mich auf den Sattel und trete los – im Leerlauf zwar, aber ich kann mir vorstellen, wie der Schleudergang funktioniert. Ich bin begeistert. Von dem Rad, von der Finca und der Herzlichkeit der Gastgeber. Un gran aplauso!!

 

Schleudergang 600 Umdrehungen pro Minute

Andrea und Giulia haben den Anfang dieser Reihe gemacht. Es folgen weitere Essen auf Ökofincas. Unter „De la huerta a la mesa“ bei Facebook findet ihr weitere Infos. Also, ich bin wieder dabei. Die von den Franzosen betriebene Ökofinca, bei der ALLES mit Regenwasser betrieben wird, die muss ich kennenlernen!

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